Stagflation, nun also doch?

Lesen Sie den aktuellen Marktausblick Q2/2022 und erhalten Sie die Einschätzungen unserer Experten.

Deutschland

Bezugnehmend auf unseren Marktausblick aus dem ersten Quartal haben sich die beschriebenen Risiken leider bewahrheitet. Die Inflationsrate ist weiter gestiegen. Im März lag diese bei 7,3%. Dies ist unter anderem auf die gestiegenen Rohstoffpreise zurückzuführen. Speziell die Preise für Energie sind durch den Krieg in der Ukraine und damit einhergehenden Embargorisiken bzw. Lieferstopps stark angestiegen. Daneben deuten sich weitere Lieferschwierigkeiten durch die Lockdowns in Shanghai an. Unter anderem resultieren hieraus höhere Frachtkosten, die sich ebenfalls in den aktuellen Inflationsraten niederschlagen können. Die Steigerung der Erzeugerpreise um 30% zum Vorjahr deuten auf mittelfristig höhere Inflationsraten hin. Diese Faktoren dämpfen die konjunkturelle Entwicklung Deutschlands, eine Rezession kann nicht ausgeschlossen werden. Zumindest eine Stagnation des Wirtschaftswachstums ist deutlich zu sehen. Die Kombination aus hoher Inflation und wirtschaftlicher Stagnation nennt man Stagflation. Abzuwarten bleibt, wie die Unternehmen mit der Inflation umgehen können. Kommt es zu Preissteigerungen oder sinken die Margen. Ersteres könnte den Umsatz beeinträchtigen und damit auch mittelbar die konjunkturelle Entwicklung weiter belasten. Letzteres könnte die Gewinnsituation der Unternehmen senken, was auch Auswirkungen auf die Aktienbewertungen haben können. Mittel- und langfristig läuft Deutschland Gefahr, als Investitionsstandort unattraktiver zu werden. Speziell die langfristig höheren Energiepreise in Verbindung mit den hohen Personalkosten lassen Deutschland als Investitionsstandort an Attraktivität verlieren. Die Aussichten sind aktuell recht unklar. Unter der Bedingung, dass es kein Energieembargo gibt, rechnen wir mindestens für die nächsten 6 Monate mit hohen Inflationsraten. Ein ähnlicher Zeitraum wird für die Behebung der Lieferkettenprobleme benötigt. Wir sind daher aktuell sehr zurückhaltend mit Investments im deutschen Aktienmarkt. Anleger sollten Ihre Portfolien prüfen und eventuelle Übergewichte in deutschen Titeln reduzieren. 

 

Europa

Die wirtschaftliche Entwicklung in Europa ist ebenfalls durch den Krieg, die hohen Energiepreise und Schwierigkeiten bei den Lieferketten in Mitleidenschaft gezogen. Politisch ist die EU gestärkt, da durch den Angriff Russlands auf die Ukraine viele kleinere Meinungsverschiedenheiten in den Hintergrund treten. Die EZB reagiert langsam auf die hohen Inflationsraten von aktuell 7,4%. So wird sie voraussichtlich im laufenden Jahr die Anleihekäufe beenden und die Zinsen anheben. Entscheidungen hierzu werden spätestens im Juni bekannt gegeben. Erste EZB-Vertreter sprechen sich für Zinserhöhungen, teils auch schon im Juli aus. Durch die Coronapandemie und auch durch den russischen Angriffskrieg kommen neue Stimmen, die sich für eine Deglobalisierung und auch Protektionismus aussprechen, auf. So wies Frau Lagarde in einer Rede darauf hin, dass die EZB davon ausgeht, dass mit einer veränderten Weltwirtschaft und mit veränderten Lieferketten zu rechnen ist. Dies führt zu einer Verlagerung der Wertschöpfung zunehmend in Länder mit ähnlichen Werten. Europa hat den größten Binnenmarkt der Welt und kann von diesen Entwicklungen teils profitieren. Das große Problem ist die Verringerung der Abhängigkeiten von einzelnen Rohstofflieferanten. Hier wird es entscheidend sein, neue Lieferanten zu finden und so den Wettlauf  um Rohstoffe zu gewinnen.    

 

USA

Auch in den USA steigen die Inflationsraten weiter an. Die FED hat die Zinswende schon eingeleitet. Durch die weiter hohen Inflationsraten stimmt die Notenbank die Märkte auf stärkere Anhebungen der Zinsen an. So wird im Mai eine Zinsanhebung von 0,50% erwartet. Für den Juni und den Juli werden aktuell Anhebungen von je 0,75% eingepreist. Für das Jahresende erwarten die Marktteilnehmer Leitzinsen zwischen 2,75% bis 3,00%. Zusätzlich wird die Notenbankbilanz verkleinert. Es werden aber keine Wertpapiere verkauft, sondern „nur“ Fälligkeiten nicht wiederangelegt. Dies führt zu einer monatlichen Rückführung der Bilanzsumme von 95 Mrd. USD. Zu beachten ist allerdings, dass trotz der Zinsanhebungen die reale Verzinsung von Anleihen negativ bleibt. Dies sollte die Aktienmärkte tendenziell unterstützen. Abzuwarten bleibt, wie die Unternehmen die Inflation verkraften. Wir erwarten auch an den amerikanischen Märkten für die kommenden Monate höhere Kursschwankungen. Aufgrund der geringeren Abhängigkeit von russischen Rohstoffen und der Entfernung zum Kriegsgeschehen in Europa sind wir optimistischer was die Entwicklung der amerikanischen Aktienmärkte angeht. Profitieren könnten Finanztitel, da durch die höhere Volatilität mehr gehandelt wird, wovon Finanzinstitute profitieren. Daneben steigen die Margen im Zinsgeschäft durch die Leitzinserhöhungen an.

 

Asien/Schwellenländer

In China wird die Null-Covid-Strategie weiter umgesetzt. Dies führt zu „regionalen“ Lockdowns. So war beispielsweise die Stadt Shanghai mit ca. 26 Mio. Bewohnern für einige Wochen im wechselseitigen Lockdown. Dies führt zu Staus in der Schifffahrt und dadurch zu Störungen der weltweiten Lieferketten. Ebenso belastet die Null-Covid-Strategie die Wachstumsaussichten, ob das Wachstumsziel von 5,5% erreicht wird, ist fraglich. Wir sind daher sehr zurückhaltend mit dem Aufbau größerer Positionen in asiatischen Märkten. Die lateinamerikanischen Märkte hingegen können von der Situation profitieren. Sie sind geographisch weit entfernt von der Ukraine und wirtschaftlich weder mit Russland noch der Ukraine eng verflochten. Hinzu kommt die Unabhängigkeit von Energie und Agrarrohstoffen.

 

Zusammenfassend stellen wir Folgendes fest:

Im Aktienbereich sollte weltweit investiert werden. Schwerpunkte sollten Unternehmen mit hohen Dividenden und konjunkturunabhängigen Geschäftsmodellen sein. Auch Unternehmen aus der Finanzbranche können outperformen. Auf der Rentenseite sind Fonds, die in kurzlaufende Papiere oder auch variabel verzinsliche Anleihen investieren, interessant. Im Mischfondsbereich tendieren wir zu flexiblen bzw. auch ausgewogenen Investmentansätzen. Beimischungen im Rohstoffbereich können für gewinnorientierte bzw. spekulative Anleger nach wie vor interessant sein.

 

Bleiben Sie gesund!

 

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