Deutschland
Die europäische Notenbank hat den Zinserhöhungszyklus im laufenden Jahr fortgesetzt. Die Inflationsraten sind gesunken. Diese Entwicklung wurde im Juni unterbrochen, die Inflationsrate in Deutschland stieg leicht auf 6,4% an. Neben der allgemeinen Inflationsrate rückt die Kerninflationsrate stärker in den Blick. Diese stellt die Preissteigerungen ohne Lebensmittel und Energie dar. Da die herausgerechneten Produkte am stärksten in der Preisentwicklung schwanken, gibt die Kernrate ein besseres Bild über die Breite der Inflation wieder. So sind z. B. die Energiepreise gesunken, was zu der allgemein fallenden Inflationsrate führte, allerdings ist die Kerninflation weiter gestiegen. Der Preisauftrieb ist also nicht vorbei. Inflationstreibend wirken die Bestrebungen zur De-Globalisierung und Protektionismus aber auch die grüne Transformation als Inflationstreiber. Deutsche Unternehmen investieren vorwiegend im Ausland, was perspektivisch zu einer geringeren Industrieproduktion führt. Andererseits versucht die Politik dieser Entwicklung durch Subventionen entgegenzuwirken, indem z. B. über einen Industriestrompreis diskutiert wird. Die deutschen Aktienindizes reagieren unterschiedlich auf diese Entwicklung. Während der DAX1 auf 1 Jahr ca. 25% zulegen konnte, legte der MDAX2 um ca. 6% zu. Die Konjunkturdaten sind schwach, so dass wir für die 2. Jahreshälfte zurückhaltender für den Aktienbereich in Deutschland sind. Die weiterhin inverse Zinskurve3 deutet auf eine Rezession hin. Wir raten Anlegern die Allokation ihrer Portfolien zu prüfen und eventuelle Übergewichte im Aktiensegment zu reduzieren.
1Der DAX ist ein Aktienindex in dem die 40 größten deutschen Unternehmen gemessen an Umsatz und Wert gelistet sind.
2Im MDAX sind 50 mittelgroße Unternehmen gelistet.
3Üblicherweise sind die Renditen kurzlaufender Anleihen niedriger als bei langlaufenden, ist es umgekehrt spricht man von einer inversen Zinsstruktur.
Europa
Die EZB hat den Leitzins weiter angehoben. Seit 21.06.2023 beträgt dieser 4%. Die Inflation in der Eurozone sinkt auf 5,5% (Juni). Allerdings steigt die Kernrate leicht auf 5,4% an. Die Notenbank muss nun abwägen, ob die Zinserhöhungen die Inflation nachhaltig nach unten drücken kann oder ob noch weitere Zinserhöhungen nötig sind. Hierbei geht es auch um die Glaubwürdigkeit. Stoppt die Notenbank die Zinserhöhungen zu früh, könnten Markteilnehmer annehmen, dass die Inflationsbekämpfung und damit das Ziel der Preisstabilität in den Hintergrund rückt. Erhöht die Notenbank die Zinsen zu stark, kommt es zu einer Rezession, was sich mit Zeitverzögerung auch auf den Arbeitsmarkt und die Staatshaushalte auswirkt. Aktuell gehen Marktteilnehmer davon aus, dass die Zinsen im Juli nochmals um 0,25% erhöht werden. Die EZB baut die Bilanz weiter ab. Hier besteht ebenfalls das Problem das richtige Tempo zu treffen, um keine unerwünschten Nebeneffekte zu erzielen. Eine weitere Herausforderung für Europa ist die Reaktion auf das Subventionsprogramm in den USA. Hier besteht die Gefahr eines Subventionswettlaufes, andererseits ziehen die hohen Subventionen in den USA die Firmen an, so dass in Europa weniger investiert wird. So stehen sowohl Politik als auch Notenbank vor Herausforderungen. Für Unternehmen ist diese Situation interessant. Sie können sich Investitionen subventionieren lassen und die Aktionäre können hiervon profitieren. Allerdings ist zu bedenken, dass in den Aktienkursen diese Szenarien in Teilen bereits enthalten sind.
USA
Auch in den USA ist die Inflation rückläufig. Die Notenbank FED hat die Zinsen beherzt auf aktuell 5,25% (oberes Band) erhöht. Bisher haben Marktteilnehmer mit Zinssenkungen im laufenden Jahr gerechnet. Diese Hoffnung hat sich nach Aussagen einiger Notenbanker zerstreut. Aktuell wird von einer weiteren Zinserhöhung um 0,25% Ende Juli gerechnet. Die FED hat aktuell ihr Beige Book (Konjunkturaussichten) veröffentlicht. In Umfragen wurden die Einschätzungen bis Ende Juni gesammelt. Im Ergebnis wird ein verlangsamtes Wachstum der Wirtschaft erwartet. Erste Experten hoffen auf ein sogenanntes Soft Landing der Wirtschaft und damit, dass es keine Rezession gibt. Die Inflationsrate hat sich überraschend stark abgeschwächt und betrug im Juni noch 3%, die Kernrate sank auf 4,8%. Nicht zuletzt durch den Inflation-Reduction-Act kann die amerikanische Regierung Investitionen ankurbeln, die als Zukunftsindikator zählen. Die Konjunktur in den USA sieht also besser aus als in Europa. Dennoch sollten die Risikofaktoren nicht außer Acht gelassen werden. So sind die amerikanischen Regionalbanken nach wie vor angeschlagen, da Geldmarktfonds große Wettbewerber um Einlagen sind. Die Aktienmärkte werden nicht von einem breiten Aufschwung getragen, sondern nur durch eine Kursrallye weniger großer Unternehmen. Am 24.07.2023 fand ein Rebalancing des Nasdaq100 (amerikanische Technologiebörse) statt. In den Index-Bedingungen ist festgelegt, dass die Aktien, die im Index eine Gewichtung von 4,5% und mehr haben, zusammen nicht mehr als 48% des gesamten Index ausmachen dürfen. Aktuell machen Apple, Alphabet, Amazon, Microsoft, Meta, Nvidia und Tesla 56% aus. Die Gewichtung dieser Unternehmen wird also auf 44% gesenkt. Die Bewertungen sind ebenfalls höher als in Europa. Wir empfehlen Anlegern die generelle Allokation zu prüfen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass im Anleihebereich wieder attraktive Zinsen zu erwirtschaften sind.
Asien/Schwellenländer
Die Schwellenländer sind sehr von der amerikanischen Wirtschaft und Zinspolitik abhängig. Da viele Unternehmen in USD verschuldet sind, können zu hohen Zinsen problematisch werden. China bekommt die weltweite wirtschaftliche Abkühlung zu spüren. So brechen die Exporte um mehr als 12% zum Vorjahr ein. Auch fällt die Post-Corona-Erholung deutlich schwächer aus als erwartet. So zeigt auch der Rückgang der Importe, dass sich die Binnenwirtschaft nur langsam erholt. Der Immobiliensektor nimmt in China ein großes Gewicht ein. Dieser schwächelt bereits seit Monaten. Aktuell versuchen die Notenbank und die Finanzaufsicht die Kreditgeber zu animieren neue Vereinbarungen mit Kreditnehmern einzugehen und Zahlungsaufschübe zu ermöglichen. Allerdings sollten Anleger die politische Lage zwischen China und den USA nicht außer Acht lassen. Wir sind daher zurückhaltend mit Anlagen in China.
Zusammenfassend stellen wir Folgendes fest:
Im Aktienbereich sollte weltweit in Titel investiert werden, die ein nachhaltiges Geschäftsmodell vorweisen können. Schwerpunkte sollten demnach Unternehmen mit soliden Dividenden und möglichst konjunkturunabhängigen Geschäftsmodellen sein. Wir finden Unternehmen aus den Branchen Basiskonsum oder auch aus der Pharmaindustrie interessant. Auf der Rentenseite sind Fonds, die in Papiere mit flexiblen bzw. gemischten Laufzeiten oder auch variabel verzinsliche Anleihen investieren, interessant. Im Mischfondsbereich tendieren wir zu flexiblen bzw. auch ausgewogenen Investmentansätzen. Beimischungen im Technologiesektor oder auch in Schwellenländerfonds können für gewinnorientierte bzw. spekulative Anleger nach wie vor attraktiv sein, soweit ein annehmbares Kurs-/Risikoverhältnis besteht.
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